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Von Börsen, Menschen und Maschinen

In einer Welt, in der Computer und Algorithmen den Finanzmarkt dominieren, werfen wir einen Blick auf die Auswirkungen der Automatisierung auf den Handel, die Märkte und die Finanzstabilität. Erfahren Sie, wie Technologie das Börsengeschehen verändert und welche Risiken und Chancen für Anleger bestehen.

7 Min.

Von Börsen, Menschen und Maschinen
Aktiv und passiv verwaltete Fonds

In den vergangenen 50 Jahren hat die Rolle, die der Mensch beim Börsenhandel spielt, rapide abgenommen. Computer, Algorithmen und passiv verwaltete Produkte, wie Indexfonds und Exchange Traded Funds (ETF) haben enorm an Bedeutung gewonnen. Über den Sinn und Unsinn von ETFs, als stark wachsender Teilbereich der automatisierten Finanzprodukte, durfte ich an dieser Stelle im Mai 2018 berichten. Bereits im darauf folgenden Jahr war es dann soweit: 2019 übertraf das Anlagevolumen der weltweit passiv verwalteten Fonds erstmals das Total der aktiv verwalteten Fonds. Mit Nettozuflüssen von 756 Milliarden US-Dollar erlebte die ETF Branche im 2020 das stärkste Jahr ihrer Geschichte. 

 

Abgrenzend zu passiven Fonds ist unser aktiv verwalteter Baumann Portfolio Fonds zu nennen, welcher einem breiten Publikum die einzigartige Möglichkeit bietet, so zu investieren, wie es Baumann & Cie seit Jahren mit dem Grossteil ihres Vermögens äusserst erfolgreich tut. Jedenfalls verändert die zunehmende Automatisierung nicht nur die Geschwindigkeit und die Struktur der Finanzmärkte. Sie wirft auch Fragen über die Funktion der Märkte, den Einfluss der Märkte auf die Gesamtwirtschaft, die Art und Weise, wie Unternehmen geführt werden und die finanzielle Stabilität auf.

Stetiges Streben nach Effizienz

Investoren haben immer schon verschiedene Arten von Technologien eingesetzt, um sich Informationsvorteile gegenüber ihren Konkurrenten zu verschaffen. Kapitaleigner der Niederländischen Ostindien-Kompanie (gegründet 1602) erkundigten sich via Depeschen über das Schicksal der das Kap der Guten Hoffnung umsegelnden Schiffe, um deren Ankunft in den Niederlanden prognostizieren zu können. Die Rothschilds verdanken einen Grossteil ihres Vermögens angeblich einer Brieftaube, welche die Nachricht von der französischen Niederlage in der Schlacht von Waterloo schneller als auf dem Schiffweg übermitteln konnte. Später dann übernahmen Maschinen zuerst die leichteren (und lautesten) Aufgaben. So wurden in den 1970er Jahren die an der Börse brüllenden Parketthändler durch elektronische Orderausführungen ersetzt (in der Schweiz ab 1996). Dies schuf mehr Effizienz, Transparenz und Preisgewissheit. 

 

Auch die Vermögensverwaltung arbeitet seit Jahrzehnten mit Algorithmen. 1975 wurden die ersten Indexfonds geschaffen. In den 1980er- und 1990er-Jahren entstanden vermehrt automatisierte Produkte wie ETFs und quantitative Fonds. Die meisten so genannten Quant-Fonds (eine Unterkategorie der Hedge-Funds) legen ihren Anlageentscheidungen quantitative Analysen mittels mathematischer Modelle zugrunde. Einige Quant-Fonds verwenden Algorithmen zur Datenanalyse, legen aber die Verantwortung für die Auswahl der Geschäfte letztendlich in menschliche Hände. Viele Quant-Fonds treiben die Automatisierung weiter voran, indem sie maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz einsetzen, sodass die Maschinen selber auswählen können, welche Wertschriften sie kaufen und verkaufen wollen. 

 

Tendenz zur Hochfrequenz

Die Ausführung von Aufträgen am Aktienmarkt wird heute von algorithmischen Händlern dominiert. Aktuellen Schätzungen zufolge werden 90% der Aktientermingeschäfte und 80% des herkömmlichen Aktienhandels durch Algorithmen ohne menschliches Zutun ausgeführt. Das Wall Street Journal geht davon aus, dass heuer nur noch 15% aller Transaktionen von fundamental orientierten Investoren, aber 85% (!) von Computern ausgelöst werden. 

 

Ein grosser Teil dieses vollautomatisierten Handelsvolumens entfällt auf den Hochfrequenzhandel (HFT), bei dem mittels Supercomputern Preisarbitrage-Geschäfte im Bereich von Millisekunden getätigt werden. Die Hochfrequenzhändler gelten als Trittbrettfahrer einer bestehenden Börseninfrastruktur und werden bis dato kaum reguliert. In den USA und in Europa werden bereits rund die Hälfte aller Aktientransaktionen mittels HFT generiert. HFT Strategien treffen keine Annahmen über Preis und Wert. Das Ziel ist einzig, eigene Aufträge schneller als die Konkurrenz zu platzieren. 

 

Die Marktdominanz der Maschinen wird sicher noch weiter zunehmen. Um die kommenden Entwicklungen auf dem Markt zu verstehen, bietet Schach ein lehrreiches Beispiel. 1997 schlug Deep Blue, ein IBM-Supercomputer, den amtierenden Weltmeister, Garry Kasparov. Es war bis zu einem gewissen Punkt ein Triumph der Maschine über den Menschen. Deep Blue wurden die Regeln einprogrammiert, die von menschlichen Spielern geschrieben worden waren. Deep Blue spielte im menschlichen Stil, aber besser und schneller als jeder Mensch es könnte. 2017 enthüllte Google AlphaZero, einen Computer, dem die Schachregeln eingefüttert wurden, und der sich dann das Spiel selbst beibrachte. Er brauchte vier Stunden (!) Training, um Stockfish, die beste mit menschlicher Taktik programmierte Schachmaschine, schlagen zu können. 

 

Interessanterweise machte AlphaZero etwas, das für menschliche Augen wie Fehlzüge aussah. Zum Beispiel opferte er in der Mitte der Partie einen Läufer für einen strategischen Vorteil, der erst viel später deutlich wurde. Faszinierend. Dennoch: die Schachregeln bleiben immer die gleichen. Die Märkte hingegen entwickeln sich immer weiter. Neu Gelerntes fliesst in die Vermögenspreise ein. Somit stellt sich die Frage, ob eine maschinell erlernte Strategie Bestand haben kann, wenn sie nicht von tiefem Verständnis begleitet wird. 

Computer geraten nicht in Panik, aber…

Zudem darf man bei aller Euphorie und Liebe für den technologischen Fortschritt die Negativseiten dieser Entwicklungen nicht ausser Acht lassen. Bereits im Oktober 1987 übte der Programmhandel eine trendverstärkende Wirkung  auf den «Black Monday» Börsencrash aus, bei dem der Dow-Jones-Index an einem einzigen Tag um 22% fiel. Besorgniserregend sind die sogenannten «Flash Crash» Ereignisse der jüngsten Vergangenheit. Im Jahr 2010 verlor der amerikanische S&P500 Aktienindex aus unerklärlichen Gründen innerhalb weniger Minuten Billionen (nicht Millionen) US Dollar an Marktwert. Im Jahr 2014 stiegen die Kurse von Anleihen innerhalb von Minuten dramatisch an. In beiden Fällen hatten sich die Märkte bis zum Ende des Tages weitgehend normalisiert, aber der Hochfrequenzhandel wurde von den Regulierungsbehörden dafür verantwortlich gemacht, dass die Bewegungen möglicherweise zusätzlich verschlimmert wurden. 

 

Die Befürchtung, dass die Dominanz der Maschinen die Märkte unkontrollierbar volatil gemacht hat, manifestierte sich im Dezember 2018 in einer plötzlich einsetzenden Verkaufswelle am Aktienmarkt, deren Gründe nicht ersichtlich waren. Leider ist es eine Tatsache, dass die automatischen Systeme kontraproduktiv agieren, wenn sie von allen Marktteilnehmern gleichzeitig aktiviert werden. Befürworter argumentieren, der Fehler läge nicht bei den Maschinen und dass diese die Märkte sogar beruhigen können: «Computer geraten nicht in Panik». Wir von Baumann & Cie sehen das anders: der Hochfrequenzhandel erhöht die Marktvolatilität, oft sogar in dramatischer Weise, und wirft grundlegende Fragen auf. Wie ist es um die Sicherheit und Beherrschbarkeit der Maschinen bestellt? Wie verletzlich ist das System im Fall von möglichen Stromausfällen oder Cyber-Angriffen? Wir geben uns nicht der Illusion hin, sämtliche Marktrisiken kontrollieren zu können. All jene Aspekte, die wir beeinflussen können, setzen wir jedoch konsequent um. Unsere Anlagephilosophie lässt sich wie folgt zusammenfassen:

 

  • Langfristig ausgerichtet und auf den realen Werterhalt fokussiert
  • Sachwertanlagen bevorzugt, starke Konzentration auf CHF-Anlagen
  • Keine übermässige Diversifikation, sondern klare Schwerpunkte
  • Exzellenz, Liquidität, Transparenz und Nachvollziehbarkeit als Bedingung
  • Alle empfohlenen Anlagen werden auch im bankeigenen Beteiligungsportfolio gehalten 

 

Ein mit diesen Grundpfeilern versehenes Portfolio wird sich allen analogen und digitalen Risiken zum Trotz immer wieder aufrappeln und langfristig gedeihen − davon sind wir überzeugt. 

 

Daniel Risi
Kundenberater Basel

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