Silber hat – wie auch Gold – einen kosmischen Ursprung. Erst im 21. Jahrhundert haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Silber und Gold bei dem Zusammenprall riesiger Neutronensterne etwa 80 Millionen Jahre vor Geburt unseres Sonnensystems entstanden sind. Die enormen Druckwellen schleuderten das Silber ins Weltall, wo es auf der damals noch nicht gefestigten Erdkruste landete und sich in verschiedenen Stätten ablagerte.
Der Anteil von Silber in der Erdkruste pro Tonne Gestein beträgt 0.08 Gramm. Das Silbervorkommen in der Erdkruste ist damit um zwanzig Mal grösser als das von Gold und etwa 700-mal kleiner als das von Kupfer. Die in der Erdkruste vorkommenden Anreicherungen von Silber wurden durch Verschiebungen der Kontinentalplaten und der damit verbundenen vulkanischen Tätigkeit in oberflächennahe Gesteinsschichten befördert, kristallisierten nach dem Erkalten des Magmas aus und reicherten sich dort an. In den Ozeanen gelöste Edelmetalle verteilen sich relativ regelmässig auf eine sehr grosse Fläche. Durchschnittlich enthält ein Kubikkilometer Meerwasser 10 kg Gold und nur 1.2 kg Silber. Silber kommt also in den Weltmeeren rund 8-mal weniger vor als Gold.
Silber zählt zusammen mit Gold und Kupfer zu den der Menschheit am längsten bekannten Metallen, deren Verwendung bis um 5 000 vor unserer Zeitrechnung (v. u. Z.) nachgewiesen werden kann. Es waren vor allem die sehr guten Bearbeitungsmöglichkeiten, die das Edelmetall früh zu einem wichtigen Werkstoff in der Geschichte der Menschheit werden liess. So kann aus einer Unze Silber ein Draht von mehr als 2 400 Metern Länge gezogen werden oder sie wird zu einer Art Folie gepresst, welche 150-mal dünner ist als ein Blatt Papier. Bei den alten Ägyptern wurde Silber, das aufgrund seiner physikalischen Eigenschaft fast das gesamte Licht reflektiert, als Mondmetall geschätzt. Sie sahen es als seltene und kostbare Varietät zu Gold. Silber war teurer als Gold. Erst einige Jahrhunderte später legten die Ägypter per Gesetz fest, dass ein Teil Gold so viel Wert ist wie zweieinhalb Teile Silber. In der griechischen Antike um 550 v. u. Z., entstanden die ersten griechischen Silbermünzen und verdrängten den bis dahin vorherrschenden Tauschhandel. Chinas Han-Dynastie, die Römer und auch die keltischen Stämme in Germanien führten im 3. Jahrhundert v. u. Z. ebenfalls Silber als Währung ein. Silber wurde, wie Gold, zum Inbegriff für Reichtum, Glück und Macht und hatte einen enorm grossen Einfluss auf die Entwicklung des Handels zwischen den einzelnen Völkern.
Im Zusammenhang mit der historischen Betrachtung der Gold-Silber-Ratio darf auch der Name Sir Isaac Newton nicht fehlen. Der berühmte Physiker wurde im Jahr 1699 zum königlichen Münzmeister des Vereinigten Königreichs Grossbritannien ernannt. Newton war in seiner Funktion für das veranschlagte Preisverhältnis von 1:15.5 zuständig. Dieses Verhältnis – es entspricht in etwa dem auf der Erde vorkommenden und geförderten Anteil von Gold zu Silber – hielt sich stabil über Jahrzehnte, bis es Ende des 19. Jahrhunderts auf 1:30 anstieg. Newton setzte einen zu niedrigen Goldpreis für Silber fest und somit den «Grundstein» des Goldstandards, der für rund 200 Jahre Bestand haben sollte. Die Vereinigten Staaten von Amerika wählten 1792 in Anlehnung an den Taler – der seit dem Heiligen Römischen Reich vorherrschenden Silberwährung – den US-Dollar als Silbermünze zu ihrer Währung. Im 18. und frühen 19. Jahrhundert bestand in den meisten Ländern ein sogenannter Bimetallismus. In diesem wurde das Wertverhältnis von Gold und Silber (Gold-Silber-Ratio) gesetzlich innerhalb eines Landes oder einer Währungsunion mit mehreren Ländern festgelegt. Der Kalifornische Goldrausch um 1848 führte zu einem Verfall des Goldpreises und der militärische Konflikt zwischen den aus den USA ausgetretenen Südstaaten und der in der Union verbliebenen Nordstaaten führte 1864 zu einem Hochstand des Silberpreis von USD 3.334 pro Unze (inflationsbereinigt 56 USD). Deutschland löste sich 1872 von der bisherigen silbergedeckten Währung (Silberstandard) und führte einen Goldstandard ein. Damit verlor Silber seine wirtschaftliche Bedeutung immer mehr. Das Gold-Silber-Ratio sank einige Zeit lang von 1:14 auf 1:100. Anfang 1900 banden auch die USA ihre Währung an Gold. Wegen der zunehmenden Bedeutung von Gold als Geldreserve stieg die Nachfrage nach dem Edelmetall und sorgte bei Silber für fallende Preise.
Seit jeher waren Silber und Gold also die beiden Hauptkonkurrenten auf dem Edelmetallmarkt, heutzutage mit deutlichem Wertvorteil für Gold. Aktuell liegt der Preis für Gold 88-mal höher als der Preis für Silber. Zwar verlor auch Gold seit 1974 seine Bedeutung als Währung, dennoch wird es von den Notenbanken der Welt noch immer und in den letzten 20 Jahren wieder in steigenden Mengen als physische Währungsreserve gekauft und gehalten. Auch in der Anlegerwelt erfuhr Gold in dieser Zeit wieder vermehrten Einsatz als Wertspeicher und Krisenschutz und hat sein Verhältnis zu seinem «kleinen Bruder» Silber weiter ausgebaut. Im Zuge der Finanzkrise um 2011 stieg der Silberpreis sprunghaft auf einen neuen Rekordpreis an und das Gold-Silber-Ratio sank in wenigen Monaten auf 31. Im Jahr 2020 führten dann die durch Covid bedingten Lockdowns vieler Länder auch bei den Edelmetallen zu starken Verlusten. Die Marktpreise von Silber, das in den letzten 30 Jahren immer mehr als Industriemetall angesehen wurde und deshalb auch grösseren Schwankungen ausgesetzt war, erfuhren einen regelrechten Crash, der das Gold-Silber-Ratio kurzfristig auf einen Rekordwert von über 120 (Unzen Silber für eine Unze Gold) drückte. Für Anleger ist wichtig zu wissen, dass der heutige Goldmarkt genauso wie der bedeutend kleinere Silbermarkt von den grossen Teilnehmern an den Rohstoffbörsen meistens unter Einsatz von Krediten mittels Futures bzw. Derivaten und nicht direkt mit dem physischen Rohstoff getätigt wird. So können auch Mengen gehandelt werden, die eine Weltjahresproduktion um ein Mehrfaches übertreffen und wenig mit der realen Verfügbarkeit des physischen Edelmetalls zu tun haben. Natürlich kann es so auch zu dauerhaften Manipulationen und Verzerrungen der Preise kommen. Langfristig orientierte Anleger sollten sich deshalb auf den Kauf von physischem Edelmetall oder von ETFs mit garantierter physischer Deckung konzentrieren.
In unserer von Schulden, Pandemien, Inflation, Kriegen und dem Klimawandel geplagten Welt stellen Sachwerte die bevorzugte Vermögensanlage dar. Dazu gehören auch Gold und Silber in physischer Form. Gold und Silber haben keine Ausfallrisiken und haben ihren Wert im Gegensatz zu Währungen und vielen anderen Anlageformen noch nie verloren. Beide haben sich als hervorragende Wertspeicher der Menschheitsgeschichte erwiesen. Der Silberpreis hatte dabei viel höhere Schwankungen und bietet aktuell im Vergleich zu Gold, das in allen Währungen auf oder nahe an den historischen Höchstpreisen gehandelt wird, langfristiges Aufholpotential. Nicht nur weil der Silberpreis beim aktuellen Niveau von USD 20.90 pro Unze noch um 100% von seinen Höchstkursen im Jahr 2011 entfernt ist. Die Kombination aus Industriemetall, die Wiederentdeckung als Krisenschutz und die immer weniger steigende Weltproduktion lassen vermuten, dass das verfügbare Angebot an Silber die Nachfrage in naher Zukunft nicht mehr befriedigen kann. Silber ist das Metall mit der besten elektrischen Leitfähigkeit und der höchsten Lichtreflexion auf unserem Planeten. Alleine diese Eigenschaften machen Silber zum unverzichtbaren Rohstoff für den immer dringenderen Umbau unserer Energiewirtschaft. Auch die seit dem Altertum bekannte antibakterielle Wirkung erfährt immer mehr Anwendungen in Medizin, Medizinaltechnik und auch der Textilindustrie. Mit den aktuellen Recyclingmethoden kann dieser Mehrverbrauch nicht kompensiert werden. Da es keinen geeigneten Ersatz für das Multitalent Silber gibt und die Ressourcen langfristig knapper werden, sind steigende Preise wahrscheinlich. Silber kann deshalb neben Gold zur Diversifikation von Vermögensrisiken dienen.
Ob das auch für Ihre Vermögensanlage in Frage kommt, beantworten wir gerne in einem persönlichen Gespräch.
Patrick Sonderegger
Kundenberater Basel