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Internationale Nachlassplanung wird flexibler

Am 1. Januar 2025 trat eine wichtige Revision des internationalen Erbrechts in Kraft. Im Blogbeitrag von Giorgio Righini erfahren Sie, warum die Reform nötig war, welche Änderungen sie bringt und welche neuen Möglichkeiten sich daraus ergeben.

10 Min.

Nachfolgeplanung
Neue Regeln ab 2025

Mit der zunehmenden internationalen Mobilität gewinnen erbrechtliche Fälle mit Auslandsbezug an Bedeutung. Ein Ferienhaus in Frankreich, ein Bankkonto in Deutschland oder der Wohnsitz im Ausland – bereits einfache Konstellationen können zu komplexen rechtlichen Herausforderungen führen. Am 1. Januar 2025 trat nun eine wichtige Revision des internationalen Erbrechts in Kraft, die mehr Flexibilität bei der Nachlassplanung mit internationalem Bezug ermöglicht und bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigen soll.

Warum eine Reform nötig war

Die Revision des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPRG) wurde erforderlich, da die bestehenden Regelungen insbesondere mit dem europäischen Recht nicht optimal harmoniert waren. In der EU gilt seit 2015 die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), die einen einheitlichen Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Erbfälle schafft. Die Schweiz ist als Drittstaat zwar nicht Mitglied des Staatenverbundes, aber als von EU-Staaten umgebenes Land dennoch von der EuErbVO tangiert – da diese auch Fälle mit Drittstaatbezügen regelt – und deshalb wird diese unter gewissen Voraussetzungen sogar ausdrücklich als anwendbar erklärt.

 

Besonders problematisch waren bisher die unterschiedlichen Zuständigkeitsregeln: Während das Schweizer Recht am letzten Wohnsitz des Erblassers anknüpft, stellt die EU auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt ab. Dies führte häufig zu Kompetenzkonflikten zwischen schweizerischen und europäischen Behörden. Eine Schweizer Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, die regelmässig mehrere Monate im Jahr in ihrer Ferienwohnung in Italien verbringt, verdeutlicht die Problematik. Nach ihrem Tod könnten sowohl die schweizerischen als auch die italienischen Behörden ihre Zuständigkeit beanspruchen. Dies hätte parallele Verfahren und möglicherweise widersprüchliche Entscheidungen zur Folge.

Was sich konkret ändert

Eine zentrale Änderung betrifft die flexiblere Gestaltung der Nachlasszuständigkeit. Ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz können künftig die Zuständigkeit ihrer Heimatbehörden wählen. Dies gilt, wenn sie entweder zum Zeitpunkt der Verfügung oder ihres Todes die entsprechende Staatsangehörigkeit besitzen. Umgekehrt können Schweizer Bürger mit Wohnsitz im Ausland die schweizerische Zuständigkeit auch dann ausschliessen, wenn sie ihr Heimatrecht wählen. Diese Regelung verhindert unerwünschte Parallelverfahren in verschiedenen Ländern. 

 

Ein praktisches Beispiel: Ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz kann nun testamentarisch oder mittels Erbvertrag festlegen, dass für seinen gesamten Nachlass die deutschen Behörden zuständig sein sollen. Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der überwiegende Teil seines Vermögens in Deutschland liegt und er die Nachlassabwicklung vereinfachen möchte. Erbrechtliche Planung erlaubt also neu, in einem solchen Fall einen Kompetenzkonflikt auszuschliessen.
 

Besonders praxisrelevant ist die neue Möglichkeit, für ausländische Grundstücke gezielt die Zuständigkeit des jeweiligen Belegenheitsstaates zu wählen. Dies entspricht den praktischen Bedürfnissen der Erblasser und vereinfacht die spätere Nachlassabwicklung erheblich. So kann beispielsweise für eine Ferienwohnung in Spanien explizit die spanische Zuständigkeit gewählt werden, während der übrige Nachlass der schweizerischen Zuständigkeit obliegt.

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Bei internationalen Nachlässen empfiehlt sich eine zeitnahe Überprüfung bestehender Verfügungen, um von den neuen Gestaltungsmöglichkeiten zu profitieren.
Portrait RIGI

Giorgio Righini

Senior Legal Counsel

Neue Optionen bei der Rechtswahl

Eine bedeutende Neuerung betrifft Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten. Bisher konnten nur ausländische Staatsangehörige ihr Heimatrecht wählen. Neu können auch Schweizer Doppelbürger mit Wohnsitz in der Schweiz ihr ausländisches Heimatrecht für anwendbar erklären. Allerdings gilt eine wichtige Einschränkung: Das schweizerische Pflichtteilsrecht kann nicht abbedungen werden. Diese Regelung stellt einen ausgewogenen Kompromiss zwischen der gewünschten Flexibilität und dem Schutz der Pflichtteilsberechtigten dar.
 

Konkret bedeutet dies etwa für einen schweizerisch-britischen Doppelbürger mit Wohnsitz in der Schweiz, dass er zwar britisches Erbrecht wählen kann, die schweizerischen Pflichtteilsansprüche seiner Kinder aber dennoch respektieren muss. Dies ist besonders relevant, da das britische Recht im Gegensatz zum schweizerischen Recht keine festen Pflichtteile kennt.
 

Wichtig für die Praxis ist auch die Klarstellung bei der Rechtswahl für Personen mit Wohnsitz im Ausland. Verweist das ausländische Recht zurück auf das schweizerische Recht, gilt neu automatisch das materielle Erbrecht des ausländischen Wohnsitzstaates. Dies vermeidet den bisher möglichen «Zirkelschluss» bei der Rechtswahl und schafft Rechtssicherheit für die Beteiligten.

Klarstellungen im Verfahrensrecht

Die Revision bringt auch wichtige Präzisierungen für das Nachlassverfahren. Besonders relevant sind die Regelungen zum Willensvollstrecker und zur Nachlassverwaltung. Wird ein Willensvollstrecker in der Schweiz eingesetzt, richtet sich seine Verfügungsmacht nach schweizerischem Recht, auch wenn auf den Nachlass ausländisches Recht anwendbar ist. Dies schafft Rechtssicherheit bei der praktischen Abwicklung des Nachlasses. 

 

Diese Klarstellung ist besonders wichtig im Verhältnis zu Ländern des angelsächsischen Rechtskreises, die das Konzept des Willensvollstreckers anders ausgestalten. Während etwa ein «executor» nach englischem Recht Eigentümer des Nachlasses wird, bleibt der schweizerische Willensvollstrecker ein blosser Verwalter. Die neue Regelung stellt sicher, dass auch bei Anwendung ausländischen Rechts die schweizerischen Grundsätze der Willensvollstreckung gelten.

Grenzen der Reform

Die praktische Umsetzung wird allerdings auch neue Fragen aufwerfen. Beispielsweise ist noch unklar, wie ausländische Behörden die neuen schweizerischen Zuständigkeitsregeln handhaben werden. Auch die Einschränkung bezüglich des Pflichtteilsrechts bei Schweizer Doppelbürgern könnte in der Praxis zu Abgrenzungsschwierigkeiten führen, etwa wenn das gewählte ausländische Recht andere Schutzinstrumente als den Pflichtteil kennt.

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Was gilt für bestehende Testamente?

Massgebend ist grundsätzlich nicht der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung, sondern das zum Todeszeitpunkt geltende Recht. Dies kann bedeuten, dass bestehende Testamente unter dem neuen Recht anders beurteilt werden als zum Zeitpunkt ihrer Errichtung. Besonders bei internationalen Nachlässen empfiehlt sich daher eine zeitnahe Überprüfung bestehender Verfügungen, um von den neuen Gestaltungsmöglichkeiten zu profitieren und unerwünschte Überraschungen zu vermeiden.

Handlungsbedarf und Empfehlungen

Die Revision des internationalen Erbrechts ist insgesamt sehr zu begrüssen. Sie modernisiert das schweizerische Recht und trägt den Bedürfnissen einer zunehmend mobilen Gesellschaft Rechnung. Für die Praxis besonders wertvoll sind die erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten bei der Nachlassplanung.


Eine Überprüfung der bestehenden Nachlassregelungen empfiehlt sich insbesondere für Schweizer Doppelbürger, die nun ihr ausländisches Heimatrecht wählen können, für Eigentümer von Auslandsimmobilien, die von der gezielten Zuständigkeitswahl profitieren können sowie für ausländische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Schweiz, die nun mehr Flexibilität bei der Rechtswahl haben.

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