«Reichtum setzt sich nicht über drei Generationen fort» lautet eine chinesische Lebensweisheit. Vergleichbar mit dem deutschen Sprichwort «Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte und die vierte verkommt vollends». Beide Sinnsprüche implizieren, dass die Enkel von Firmengründern im Ruf stehen, geerbte unternehmerische Substanz zu verjubeln, anstatt diese zu mehren.
Allgemein gültige Regel?
Prominente Beispiele für das Versagen der Enkelgeneration finden sich zahlreiche. So häuften der asketische John D. Rockefeller sowie sein Sohn John D. Jr. zur Zeit des sich entwickelnden Erdölgeschäfts in Amerika Ende des 19. Jahrhunderts ein immenses Vermögen an, versäumten es aber, der nächsten Generation die Grundbegriffe des erfolgreichen Geschäftens beizubringen. Das gleiche Schicksal ereilte die Guggenheims, ein aus der aargauischen Gemeinde Lengnau stammendes jüdisches Geschlecht. Simon Guggenheim emigrierte Mitte des 19. Jahrhunderts in die USA, gründete mit seinem Sohn Meyer Guggenheim ein Handelsunternehmen, und dieser erwarb 1881 eine Silbermine, mit der er das Fundament zu einem riesigen Bergbaukonzern legte. Zeitweise beherrschten die Guggenheims 80% der weltweiten Produktion von Kupfer, Silber und Blei. Wie bei den Rockefellers wurde auch in diesem Fall das industrielle Know-how nicht an die dritte Generation weitergegeben. Die Nachkommen, vertreten etwa durch Solomon R. Guggenheim, wandten sich den angenehmeren Dingen des Lebens zu. Jedoch gibt es genauso viele Beispiele von Enkelgenerationen, die das industrielle Erbe ihrer Vorväter erfolgreich und wertvermehrend weitergeführt haben und ihrerseits dafür sorgten, dass die Nachkommen es ihnen gleichtaten – womit sich die anekdotische Evidenz nicht zur allgemeinen Regel erhärtet. Die Bankierdynastie der Rothschilds, die Wallenbergs in Schweden und die Oetkers in Deutschland sind solche Geschlechter. Ebenso, seit über 200 Jahren, die Industriellenfamilie Peugeot. Die namensgebende Gründerfamilie stammt übrigens aus der Umgebung von Montbéliard, welche mit Umland als Grafschaft Montbéliard (deutsch: Grafschaft Mömpelgard) von 1397 bis 1796 unter württembergischer Herrschaft stand, weshalb manche die Marke Peugeot scherzhaft zu den «schwäbischen Automarken» (wie Daimler-Benz und Porsche) zählen. Die Familie Peugeot gilt seit je als zurückhaltend, arbeitsam und bescheiden.
Für das Nichtfortführen einer Wirtschaftsdynastie gibt es oft gute Gründe. Ein Drittel aller Familienunternehmen schafft den Sprung in die zweite Generation nicht, 65% scheitern an der Hürde zur dritten Generation und gar 85% an jener zur vierten. Dass dem so ist, lässt sich zunächst rein rechnerisch erklären. Die Anzahl der Erben nimmt nicht selten exponentiell zu, sodass eine Einigung über das Führen einer Firma oder das Auszahlen all jener, die auf ihre Ansprüche verzichten, mit der Zeit immer schwieriger wird. Eine simple Erklärung für das Abreissen einer Kette kann zudem sein, dass ein Firmengründer nicht den für die Nachfolge erforderlichen talentierten Nachwuchs erzeugt.
Firmen- und Familienstruktur: inkompatibel?
Nicht selten droht einem Familienunternehmen aber auch die Gefahr, sich in Widersprüche zu verstricken. Einerseits scheint es unprofessionell, geschäftliche Entscheidungen nach familiären Gesichtspunkten zu treffen, anderseits ist es unüblich, Familienangelegenheiten nach unternehmerischen Prinzipien zu regeln. Da eine Auflösung dieses Widerspruchs nicht möglich ist, ist die Handhabung des Konfliktpotenzials für den Erfolg und die Überlebenschancen eines Familienunternehmens zentral. Die enge Verflechtung innerhalb von drei Generationen erklärt unter anderem auch, warum Familienunternehmen beim Übergang vom Vater zum Sohn und zum Enkel vielfach scheitern. Die Unternehmen werden in der Frühphase ihrer Existenz nicht selten als reine Familienangelegenheit betrachtet. Personenorientierte, nicht kommerziell begründbare Entscheidungen spielen in jungen Firmen eine ungleich zentralere Rolle als in jenen, die den Übergang zum Mehr-Generationen-Unternehmen gemeistert haben. Man kann schlussfolgern, dass die Kunst des Managements bei Familienunternehmen darin zu bestehen scheint, Familie und Unternehmen so weit zu trennen, dass sie sich nicht gegenseitig in ihrer Funktionsfähigkeit behindern; gleichzeitig sollte der Kontakt so eng gehalten werden, dass sich die beiden Systeme gegenseitig befruchten. Der Firma Roche und ihren Ankeraktionären, den Familien Hoffmann und Oeri, gelingt dies seit Jahrzehnten auf bewundernswerte Art und Weise. Das Basler Unternehmen hat diese Gratwanderung zwischen zu viel und zu wenig Distanz mittels Bildung eines handlungsfähigen Gremiums gemeistert und bemüht sich, die Folgegenerationen der Gründerfamilien mit einzubinden. An der Generalversammlung im vergangenen März trat Dr. Andreas Oeri, der die Familie bisher zusammen mit André Hoffmann im Roche VR vertrat, nach 24 Jahren zurück. Sein Sitz übernahm sein 36-jähriger Neffe und Chemiker Jörg Duschmalé – der erste Vertreter der fünften Generation im Verwaltungsrat.
Ob mit oder ohne Familienunternehmen: nachfolgend präsentiere ich Ihnen ein paar praktische Ratschläge, die Sie in Ihrem Bestreben, Ihr Vermögen über Generationen zu bewahren und zu vermehren, unterstützen können:
Geltungsdrang im Zaum halten und Bescheidenheit lehren. Mit Blick auf die nachfolgenden Generationen ist es von grösster Bedeutung, möglichst viel Bescheidenheit und gesunden Menschenverstand zu vermitteln.
Nicht zu forsch investieren. Besonders Neureiche der ersten oder allenfalls zweiten Generation neigen dazu, ihr Vermögen zu aggressiv anzulegen. Vielleicht hatten sie mit einer Unternehmensgründung oder einem stark gehebelten Immobilieninvestment Erfolg – nun wollen sie diesen Erfolg unbedingt replizieren.
Nicht zu ängstlich investieren. Auf der anderen Seite kosten Anlagestrategien, welche zu sehr auf Sicherheit und Vermögenserhalt bedacht sind, auf lange Sicht viel Geld. Ein typischer Fehler der zweiten und dritten Generation ist eine zu passive Anlagestrategie. Das beginnt oft damit, die Vermögenswerte der Gründergeneration einfach blind zu halten, obwohl sich die Rahmenbedingungen vielleicht grundlegend verändert haben. Unbedingt überdenkenswert sind Vermögensstrategien mit tiefem Sachwertanteil, wie Aktien oder Immobilien, die im heutigen Anlageumfeld und auf absehbare Zeit nach Steuern, Gebühren und Inflation eine sehr geringe reale Rendite abwerfen dürften.
Kosten optimieren. Einfache Anlagestrukturen und transparente Vergütungsmodelle für allfällige Berater, Treuhänder, Anwälte und Family Office Dienste machen es einfacher, die Kosten im Griff zu behalten.
Früh übt sich. Wie und wann man einen Menschen auf ein Vermögen vorbereitet ist eine höchst persönliche Entscheidung. Wir raten aufgrund unserer langjährigen Erfahrung dazu, strukturierte Gespräche zu führen, um innerhalb der Familie Einmütigkeit herzustellen. Manchen Verwandten mag Unternehmertum oder Geld viel bedeuten, anderen wenig. Es geht somit nicht um Gleichschaltung, sondern darum, möglichst alle Familienangehörige strategisch «ins Boot zu holen», um so späteren Ärger zu vermeiden. Die gewonnenen Erkenntnisse helfen insbesondere auch bei der Setzung von langfristigen Leitlinien für die Vermögensverwaltung. Eine Aufteilung des Familienvermögens lässt sich zielgerichteter bewerkstelligen, wenn man voneinander weiss, wer auf Sicherheit oder auf Wagemut tendiert. Beziehen Sie Ihre Kinder frühstmöglich in Geldangelegenheiten mit ein, und ermöglichen Sie es ihnen, sich schrittweise und ohne Zeitdruck mit der Materie vertraut zu machen. Unsere Kundenberater sind Ihnen bei der «Schulung» sehr gerne behilflich und freuen sich stets, weitere Familienangehörige kennenlernen zu dürfen.
Daniel Risi
Kundenberater Basel