Gerade in turbulenten Zeiten, in welchen die VUCA-Eigenschaften (Volatilität, Ungewissheit, Komplexität und Ambiguität) immer deutlicher spürbar werden, beruft man sich gerne auf gängige Redewendungen mit dem Ziel, sich damit zu beruhigen. Diese sogenannten Mythen sind ein Ansatz, die Vergangenheit einzuordnen und nehmen Einfluss auf künftige Entscheidungen. Ganz im Sinne von Albert Camus, der Folgendes festhielt: «Mythen haben mehr Macht als die Realität. Die Revolution als Mythos ist die endgültige Revolution.» Mythen sind in unsicheren Zeiten, wenn wir nach Halt suchen, umso präsenter und könnten uns dazu verleiten, falsche Schlüsse zu ziehen. Aus diesem Grund durchleuchten wir in folgendem Beitrag drei der gängigsten Mythen und prüfen sie auf deren Wahrheitsgehalt.
Mythos 1: Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt zum Investieren
Grundsätzlich gilt, dass jeder Zeitpunkt gut ist zum Investieren. Denn, im Gegensatz zur verbreiteten Annahme, dass der richtige Zeitpunkt beim Anlegen entscheidend ist, hat die Dauer im Markt einen weitaus grösseren Einfluss auf die Performance. Erstere Annahme beruht auf dem Wunsch zu kaufen, wenn die Märkte ihren Tiefpunkt erreichen und zu verkaufen, wenn die Kurse auf ihrem Höchststand sind. Diese Anlagestrategie wird als Market Timing bezeichnet und fokussiert sich auf das Ausnutzen von Preisschwankungen. Tatsache ist, dass sich Märkte statistisch nicht voraussagen lassen. Meist bemerken wir einen Zenit erst, wenn er bereits wieder vorbei ist, sprich der Abstieg bereits in vollem Gange ist. Gerade weil eben niemand die Märkte exakt prognostizieren kann, ist das erfolgreiche Umsetzen dieser Anlagestrategie reines Wunschdenken. Hinzu kommt, dass durch die abwartende Haltung auch Renditechancen verpasst werden, weil sich die Marktdynamik rasch verändern kann. Hätte man beispielsweise im Zeitraum vom Jahr 2000 bis 2023 eine Anlage in den Schweizer Aktienmarkt (SPI) getätigt und dabei die zehn besten Börsentage verpasst, wäre der aktuelle Portfoliowert nur ein Drittel des Wertes, der bei einer Investition über die gesamte Dauer hinweg erwirtschaftet worden wäre.
«Time in the Market» anstatt «Market Timing»
Sinnvoller ist es, den Fokus auf den Anlagehorizont zu legen («Time in the Market») und Anlagen langfristig zu halten. Tatsächlich macht es langfristig gesehen auch wenig aus, wenn man unmittelbar vor einer Kurskorrektur anlegt. Hätte man beispielsweise im Jahr 2000 CHF 1'000 in Schweizer Aktien (SPI) angelegt und somit zahlreiche Krisen wie das Platzen der Dotcom-Blase oder die Finanzkrise mitgemacht, hätte man per Ende 2023 ein Vermögen von CHF 2'900 erreicht.
Mythos 2: Anleihen sind sicherer als Aktien
Obwohl in den letzten vierzig Jahren mit Anleihen moderate Renditen erzielt werden konnten, leidet ihr Ruf seit 2020. Wer in den letzten vier Jahren ein Portfolio voller Anleihen hatte, ist mit seiner Performance kaum zufrieden. Dies also ganz im Widerspruch zur weit verbreiteten Annahme, dass in ein diversifiziertes, risikoarmes Portfolio zwingend Anleihen gehören.
Einer der Hauptgründe ist, dass Anleihen seit einigen Jahren in der Zinsfalle gefangen sind. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Zinssteigerungen durch die Zentralbanken, wie wir sie seit 35 Jahren nicht gesehen haben – dies nach einem mehrjährigen Umfeld extrem tiefer Zinsen. So etwa erhöhte die amerikanische Notenbank ihren Leitzins innerhalb von 16 Monaten um 5 Prozent. Die Schweizerische Nationalbank erhöhte ihren Leitzins in 12 Monaten um 2.5 Prozent. Die Kausalität von Anleiherendite und Leitzinsen ist kaum bestreitbar. Während bei neu emittierten Anleihen die Zinsen stark anstiegen, sank der Kurs von bereits gehandelten Anleihen massiv. Insbesondere ultra langlaufende Staatsanleihen verloren deutlich an Wert, teilweise über 50 Prozent. Betroffen von einem massiven Verlust waren aber auch Anleihen mit kürzeren Laufzeiten. So verzeichneten 10-jährige amerikanische Staatsanleihen im Jahre 2022 einen Verlust im zweistelligen Prozentbereich. Werfen wir einen Blick auf die Performance von Schweizer Anleihen in den vergangenen fünf Jahren, treffen wir auf ein ähnliches Bild. Schaut man sich die folgende Grafik an, wird deutlich, dass auch hier Anleihen im Vergleich zu Sachwerten wie Aktien, Gold oder Immobilien nicht nur deutlich schlechter abschnitten, sondern auch eine negative Performance aufwiesen, insbesondere auf inflationsbereinigter Basis.
Mythos 3: Diversifikation ist etwas für ängstliche Anleger
Im Gegensatz zu der gängigen Auffassung, dass Diversifikation etwas für ängstliche Anleger ist, unterstützt sie massgeblich dabei, das Gesamtrisiko eines Anlageportfolios zu reduzieren. Diversifizieren bedeutet, dass man sein Geld nicht nur in ein einzelnes Unternehmen investiert, sondern zum Beispiel auf verschiedene Branchen oder Anlageklassen verteilt. Ähnlich wie bei der «Market Timing»-Strategie, die wegen der inexistenten Glaskugel nicht funktioniert, verhält es sich auch bei der Diversifikation. Wüssten wir immer exakt was an den Märkten als Nächstes passiert, bräuchten wir keine Diversifikation. Ein grosser Vorteil der Diversifikation ist folglich, dass wir durch eine Streuung der angelegten Gelder unser Risiko auf Verlust minimieren. Gerade bei einem langfristigen Anlagehorizont hilft die Diversifikation, die Renditechancen konstant zu halten und allzu grossen Schwankungen entgegen zu wirken. Ziel ist es, langfristig ein stabiles Vermögen aufzubauen.
Nichtsdestotrotz sind der Diversifikation auch Grenzen gesetzt. So etwa macht es eine zu starke Diversifikation schwierig, seine Anlagen noch überwachen zu können. Die Gefahr besteht, die Übersicht sowie seinen Fokus zu verlieren. Weiter kann zu viel Diversifikation dazu führen, dass die Rendite von den besten Anlagen durch zu viele Schlechtperformer verwässert wird. Ab wann eine Diversifikation nicht mehr sinnvoll ist und zur Verwässerung führt, ist in der Theorie nicht eindeutig geregelt. Klar ist jedoch, dass die reine Anzahl an unterschiedlichen Titeln im Portfolio wenig über Diversifikation aussagt. Vielmehr geht es darum, dass beispielsweise verschiedene Branchen oder Anlageklassen im Portfolio abgebildet werden. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie wir bei Baumann & Cie diversifizieren, setzen Sie sich gerne mit unserem Beratungsteam in Verbindung.
Chantal Flach
Kundenberaterin Basel