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Steuern, Vorsorge

Das neue Erbrecht steht vor der Tür

Die Revision des fast hundertjährigen Erbrechts tritt voraussichtlich 2023 in Kraft und bringt weitreichende Neuerungen, die insbesondere die Verfügungsfreiheit des Erblassers erhöhen. Wir geben einen Überblick über die Auswirkungen dieser Reformen, die auch Ihre Nachlassplanung betreffen könnten.

6 Min.

Erbrecht

Das fast hundertjährige schweizerische Erbrecht wird revidiert und tritt voraussichtlich 2023 in Kraft. Die Revision des Erbrechts trägt den modernen Beziehungs- und Familienformen besser Rechnung und erweitert die Verfügungsfreiheit des Erblassers über sein Vermögen deutlich.

 

Aufgrund der inhaltlichen Tragweite und der Gefahr einer «Versenkung» der Vorlage durch das Parlament, ist die Totalrevision vom Bundesrat in zwei Etappen aufgeteilt worden. Eine zentrale Massnahme der ersten Etappe ist die Verkleinerung der Pflichtteile. In der zweiten Etappe geht es vor allem um Erleichterungen der Unternehmensnachfolge bei Familienunternehmen. Nachfolgend werden einige zentrale Aspekte dieser Reform beleuchtet, die auch Sie persönlich betreffen könnten.

 

Mehr Selbstbestimmung durch kleinere Pflichtteilsquoten

Der Pflichtteil ist derjenige Anteil am gesetzlichen Erbteil, auf den Kinder, Eltern, überlebender Ehegatte oder eingetragener Partner zwingend Anspruch haben, auch wenn der Erblasser die gesetzliche Erbfolge testamentarisch oder im Rahmen eines Erbvertrags abgeändert hat. Im revidierten Erbrecht wird der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen verkleinert, indem der Elternpflichtteil aufgehoben wird. Kinderlose und unverheiratete Personen können somit mittels Testament oder Erbvertrag neu über ihr gesamtes Vermögen verfügen. Die Kinder, Ehepartner bzw. eingetragenen Partner haben weiterhin Anspruch auf einen Mindestteil des Nachlasses. Nachkommen erhalten – sofern kein überlebender Ehepartner oder eingetragener Partner vorhanden ist − heute 75 Prozent, neu noch mindestens 50 Prozent des gesetzlichen Erbanspruchs. Damit können beispielsweise in Patchwork-Familien faktische Lebenspartnerinnen und Lebenspartner einander oder die Nachkommen ohne gesetzlichen Erbanspruch grosszügiger begünstigen. In der Mehrzahl der Kantone sind dabei Steuerfolgen zu berücksichtigen. In gewissen Kantonen werden die Erbschaften von Stiefkindern mit bis zu 45% besteuert. Wiederum in anderen Kantonen sind letztere von der Erbschaftssteuer befreit. Für Ehepartner sowie eingetragene Partner bleibt der Pflichtteil auch im neuen Erbrecht unverändert bei 50 Prozent des gesetzlichen Erbanspruchs.

 

Erbrechtliche Behandlung der gebundenen Vorsorge (Säule 3a)

Die Ansprüche gegenüber den Sozialversicherungswerken und den Pensionskassen fallen sinngemäss nicht in das Nachlassvermögen und unterstehen somit auch nicht der oben beschriebenen Herabsetzung. Demgegenüber ist bis anhin umstritten, ob die Guthaben aus Versicherungen, insbesondere aus der gebundenen Vorsorge, der sog. Säule 3a, in den Nachlass fallen oder nicht. Mit der Revision stellt der Gesetzgeber nun klar, dass diese Vermögenswerte nicht in die Erbmasse gehören und aufgrund gesetzlicher und reglementarischer Bestimmungen verteilt werden. Allerdings sind diese Guthaben bei der Pflichtteilsberechnung zu berücksichtigen. Das heisst, der Pflichtteil wird anhand der Summe der Erbmasse und der Versicherungsguthaben und nicht aus der Erbmasse alleine ermittelt. Sofern rechnerisch angezeigt, können die pflichtteilsgeschützten Erben mittels Klage die Herabsetzung der Ansprüche der nicht pflichtteilsgeschützten Erben verlangen, bis ihr eigener Pflichtteil durch «Auffüllen» aus den Versicherungsguthaben hergestellt ist. 

 

Unabhängig von der Herabsetzungsregel ist für Lebensgemeinschaften die Behandlung der Mittel aus der Säule 3a interessant, da für Ansprüche nicht die Erbschaftssteuer, sondern ein privilegierter Einkommenssteuersatz zum Tragen kommt. 

 

Kein Pflichtteilsschutz im Scheidungsverfahren

Nach herrschendem Recht entfallen der Pflichtteilsanspruch und das gesetzliche Erbrecht zwischen den Ehepartnern erst, wenn sie geschieden sind. Eine analoge Regelung gilt auch für eingetragene Partnerschaften. Mit der Revision des Erbrechts entfällt der Pflichtteilsschutz des Ehegatten, nachdem ein Scheidungsverfahren hängig gemacht wurde. Allerdings behält der überlebende Ehepartner bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft der Scheidung das gesetzliche Erbrecht. Für einen solchen Fall kann mittels einer Verfügung von Todes wegen der eine dem anderen Ehegatten aber seinen gesetzlichen Erbanspruch entziehen. Die vorerwähnten Grundsätze gelten auch für eingetragene Partnerschaften. Mit dieser Neuerung sollen künstlich in die Länge gezogene Scheidungsverfahren unterbunden und ungerechtfertigte Resultate verhindert werden. Die neuen Möglichkeiten können allerdings aus umgekehrter Perspektive zu einer massiven finanziellen Schlechterstellung des überlebenden Gatten führen.

 

Erbrechtliche Unternehmensnachfolge erleichtern

Immer noch haben viele Familienunternehmen und KMU keine Nachfolge­regelungen getroffen. Hinzu kommt, dass die geltende Rechtslage kein Unternehmenserbrecht kennt. Dies lässt vieles offen und erschwert die Übertragung der Inhaberschaft wesentlich. In gewissen Fällen führt das Erbe zu einer Zersplitterung des Familienunternehmens. Oft müssen Nachfolger im Zuge der Erbteilung hohe Ausgleichszahlungen leisten, was folgenschwere Auswirkungen für den Fortbestand des Unternehmens nach sich ziehen kann. Die Reduzierung der Pflichtteilsquoten spielt auch bei der Unternehmensnachfolge eine nicht zu unterschätzende Rolle. Mit der höheren frei verfügbaren Quote kann der Unternehmer denjenigen Nachkommen, der den Betrieb übernimmt, stärker begünstigen. Der Anspruch der Geschwister wird reduziert. Mit der Einführung eines Rechts auf Integralzuweisung kann das zuständige Gericht – sofern der Erblasser keine diesbezügliche Verfügung getroffen hat − auf Antrag einzelner Erben diesen die kontrollierenden Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte zuweisen. So soll eine Zersplitterung des Unternehmens auf eine Vielzahl von Minderheitsbeteiligungen verhindert werden. Dem Unternehmen verleiht dies mehr Stabilität und Beständigkeit. Wird die Zuweisung von mehreren Erben verlangt, soll das Gericht darauf abstellen, wer im Kreis der Erben am besten geeignet erscheint.

 

Ein weiterer zentraler Punkt betrifft die neue Regelung bei der sogenannten Stundung von Forderungen aus erbrechtlichen Ansprüchen. Sobald ein grosser Teil des Vermögens im Unternehmen gebunden ist, können erhebliche Ausgleichszahlungen notwendig werden. Diese werden neu nicht sofort fällig, sondern können bis zu fünf Jahren aufgeschoben werden. Dieser Zahlungsaufschub geht aber mit einer Sicherstellungspflicht einher. Inwiefern dies der Norm zugutekommt, wird sich in der Praxis weisen müssen. In der Vernehmlassung wurde bereits grosse Kritik laut. Trotzdem bringt diese Neuerung eine Erleichterung in der Unternehmensnachfolge mit sich. Der Nachfolger kann die übrigen Erben beispielsweise über die laufenden Gewinnausschüttungen sukzessive auszahlen und umgeht dadurch eventuelle Liquiditätsengpässe oder verhindert sogar eine Zwangsveräusserung. 

 

Klarheit schaffen

Das modernisierte Erbrecht tritt voraussichtlich am 1. Januar 2023 in Kraft und findet unmittelbar auf jeden Erbgang in der Schweiz Anwendung. Das bedeutet nicht, dass die bisherigen Testamente und Erbverträge ihre Gültigkeit verlieren. Es kann aber zu heiklen Situationen führen, vor allem, wenn bestimmte Abfassungen in der Nachlassplanung unter neuem Recht abweichend ausgelegt werden. Beispielsweise könnte das Testament Bezug nehmen auf den gesetzlichen Pflichtteil, der für Eltern neu Null betragen würde gegenüber 50% unter altem Recht. Es ist sehr zu empfehlen, bestehende Erbverträge und Testamente rechtzeitig vor Inkrafttreten des neuen Erbrechts kritisch zu überprüfen, um einerseits den so gewonnenen Spielraum allenfalls zu nutzen und um andererseits jederzeit Rechtssicherheit herzustellen. Eine Überprüfung in regelmässigen Abständen ist aber auch unabhängig vom gegebenen Anlass zu empfehlen. Gerne unterstützen wir Sie dabei.

 

Giorgio Righini
Senior Legal Counsel

 

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